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hirniges puzzle 

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  • Es war einmal in Amerika
  • Souvenirs, Souvenirs
  • Wochenend-Idyll
  • Albtraum mit Abraum
  • Was macht eigentlich...
  • Eine unerwartete Nachricht
  • Grenzen der Bifurkation
  • Wir beschwören einen Dämon, wenn sie kommt
  • Keine so gute Idee
  • Öfter mal die Perspektive wechseln

Was Sie (auch) lesen wollen

Das Fest des Heiligen Honepips gerät zum Desaster, zumindest wenn Tante Gerta dazwischenfunkt. Und das tut sie in Bekenntnisse eines Kulturimperialisten.

Railo ist vielleicht nicht mein bester Freund, aber der mit der längsten Anreise. Er kommt von Nupsiland.

Wollten Sie nicht immer schon mal wissen, was Möbius-Tetraeder sind? Was tun gegen Affenhaar-Allergie? Und überhaupt: Wohin soll die Reise gehen?

Zu Beginn steht die Afäre seiner Lady Plus mit dem Knixus von Vollertsheim-Beta und Lady Plus in Mein Leben als Spülmaschinenbesitzer.

Von der Unmöglichkeit, ein Werkzeug mit sich selbst zu reparieren, lesen Sie in Bob Singleton's Dream.

Lange Zeit hatten wir völlig unbeteiligt nebeneinander gewohnt. Dann kamen wir einander näher. Doch zu viel Nähe war gefährlich und sie blieb allein, die arme Frau Schenkel.

Ein scheinbar harmloser Werkzeugschuppen entpuppt sich als Drogenversteck in Der Griff nach der Krone.

Eine der vielen Schreckensvisionen des hochgeschätzten E. A. Poe wird wahr in Die Brille.

Die Tücken der Technik spielen uns mal wieder einen Streich in Danke, Oma!

Der Ich-Erzähler schwankt zwischen Materialismus und Transzendenz  und lässt es dann mal so richtig krachen in Mächtiges Badabum.

Die großen Fragen des Daseins werden zwar nicht geklärt, aber alles, was man mit Ja oder Nein beantworten kann, erfahren wir in Herrenabend.

Eine Geschichte, in der weder sprechende Staubsauger noch grinsende Geranien vorkommen, ist Assimilation.

Er hatte sich mal wieder im Ton vergriffen und musste nun die Konsequenzen tragen. Das ist schlimm, denn er war nur Auf Bewährung draußen.

Grauenhafte Kreaturen und eine kleine Portion Wahnsinn warten auf Sie. Hüten Sie sich vor Gehirnthalers Honmunkuli!

Schatten der Vergangenheit

Auf meinen zahlreichen – allesamt in der ersten Lebenshälfte durchgeführten – Reisen ver­schlug es mich einmal nach Shangri-La. Es mutete sich herrlich an: Überall in der Klosteran­lage ertönte liebliche Musik, herrliche Speisen wurden gereicht, es dufte nach Frühling, Flie­der und Pheromon und die Rundum-Versorgung durch in knappes Tüll gewandete zauber­haft dreinblickende Dienerinnen ließ nichts zu wünschen übrig. Gar nichts. Jedoch schon am dritten Tag wurde die Idylle gestört. Die Wachen drangen ohne an­zuklopfen in meine Suite und forderten mich auf, mitzukommen. Der Großrettich höchstpersönlich verlangte mich zu sprechen. Sie warfen mir einen Bademantel über, zerrten mich nach Nebenan in den Gelben Saal (es ist alles sehr fußläufig dort) und ließen mich dort auf den grob geknüpf­ten Sisaltep­pich fallen. Und mein Erstaunen wuchs noch, als ich in dem weltlichen und geist­lichen Ober­haupt des märchenhaften Tals Frau Dr. Camilla von Knirsch erkannte, mit der ich mal auf ei­ner Tagung in Leinfelden-Echterdingen ein Hoteltechtelmechtel begonnen, aber nicht zu Ende gebracht hatte (die letzte Flasche Blue Curacao war schuld, aber das hatte mir Camilla damals schon nicht geglaubt). Die Anklage wurde um mehrfaches Erregen öffentli­chen Är­gernisses erweitert und ein Tribunal wurde einberufen. Die Jury bestand, wie sollte es ande­res sein, aus drei Handvoll meiner Verflossenen, und zwar nicht gerade jenen, mit denen die Trennung in aller Freundschaft vollzogen worden war; als Pflichtverteidiger wurde mir ein verkommener Hansel an die Seite gestellt, der selbst gerade wegen unerlaubten Be­treibens einer Flaschenbierkneipe eine zwölf Zyklen andauernde Dunkelhaftstrafe absaß und der in Hoffnung auf Strafminderung ganz sicher nicht in meinem Sinne argumentieren würde. Kurzum: ein abgekartetes Spiel. Da half nur noch Trick Siebzehn, das hieß in diesem Fall: schuldig bekennen in allen Anklagepunkten, öffentlich bereuen; dann Sonnenbrille abnehm­en und schließlich die ganze Truppe zu Tagliatelle mit Steckrübentrüffeln einladen. Es wirkte. Der Hansel wurde wieder ins Kellerverlies gesperrt und ich in die Großküche expe­diert. Während die Helferlein die prall gefüllten Speisekammern nach den Trüffeln absuch­ten (das konnte dauern, in Wirklichkeit hatte ich immer Austernpilze genommen, aber psst!), ver­drückte ich mich durchs Ofenrohr. Doch in der Tupolew gen Heimat gab es die nächste böse Überraschung: Frech grinsend besetzte Camilla den Sitzplatz neben mir und öffnete mit lau­tem Klacken ihren Aktenkoffer. Die Handschellen darin ließ sie liegen, aber sie steck­te mir gleich die Einladung zur nächsten Jahrestagung in die Bademanteltasche und füllte aus ei­nem Flachmann zwei Plastikgläser mit quietschgrünem Bananenlikör. Immerhin hatte sie auch meine Sonnenbrille dabei. Na, dann prost!

12/2020

Reprise in Z moll

Nach einer mehr oder weniger gelungenen Close-reading-Attacke auf Zibaggers Viele-Welten-Theorie zerfasert die ganze selbstverzweckte sinnüberladene Wohlfühligkeit des bürgerlichen Lexikalismus und man steht eigentlich nur noch vor der Wahl, diese jammervollen grau beschlipsten Bohrköpfe von der Singularitätsfraktion voller Verachtung in den Sonnenuntergang zu niesen oder einen or­dentlichen Schluck aus der Nierenpulle zu nehmen und zusammen mit dem grünaugigen Gerichts­vollzieher die ewigen Jadggründe des atavistischen Hühnergotts zu verunsichern. Dachte ich jeden­falls, aber dann tat sich mir eine dritte Alternative auf, eine, die weder in Zibaggers Register noch in der legendären Son­derausgabe von Meine Familie und ich zur deutschen Wiedervereinigung zu fin­den ist: das Trompeti­kon. Sie denken, ich bluffe nur, aber weit gefehlt: Ich hatte aus purer Verzweif­lung an einer Apfelmu­stube geschnüffelt und nach mindestens drei Gründen gesucht, warum ich dem sauertöpfischen Chef­kassierer des Baumarkts um die Ecke nicht einfach mal einen Floh namens Mozart ins Ohr setze (wie unschwer zu erraten ist, ist mir nicht einer eingefallen), da erschien es vor mir ganz strahlend und klar, es schälte sich geradezu in meine Welt hinein. Nein, ich halte mich nicht für einen Auserwählten, und ja, jeder kann das Trompetikon finden, nur offenbart es sich niemals mehrfach in derselben Gestalt, sel­ten unter demselben Namen, und das Antifokalisierungsfeld ver­nebelt jedem, der allzu scharf hinsieht, den Blick, sodass man eben (wie in meinem Fall) sehr viel Glück braucht, jedenfalls mehr Glück als Verstand, und das ist bei Menschen, die sich erfolgreich mit Zi­bagger auseinandersetzen, verdammt selten. Genützt hat es mir übrigens auch nichts, denn als ich versuchte, mit einem kräftigen Luststoß ins Trom­petikon einen guten Ton zu erzeugen, bin ich wohl an die Remanenz der Welt gekommen, aus der es sich herausgeschält hat, in der vielleicht die Hüh­nergötter selbst graue Schlipse tragen oder grüne Au­gen haben oder, was noch schlimmer ist, im Sonnenuntergang entstehen wie der Phönix aus der Fla­sche. Schon bei der kleinsten Berührung machte es Peng und alles war zurück auf Start. So trottete ich an den löchrigen Gestaden des Was-auch-immer entlang nach Hause. Mozart wartete auf mich.

01/2019

Es war einmal in Amerika

Endlich war es Wochenende! Aber bevor es ans Trinken gehen konnte, hatte ich dem alten Hibbings versprochen, seinen Alpakastall auszumisten. Mit ein paar beherzten Spatenstichen lenkte ich den Orinoko um, was in der Folge leider drei Wasserkraftwerke trockenfallen ließ und die (bis dahin) malerische Kleinstadt Charleston unter einer Schlammlawine begrub. Das rief die Nationalgarde auf den Plan und außerdem hatte ich sofort eine für milliardenschwere Entschädigungsklagen berüchtigte New Yorker Kanzlei am Hals. Um die Anwälte kümmert ich in der Regel meine Rechtsabteilung Smith und Wesson, aber mit den Gardisten war nicht zu spaßen. Also packte ich meine Partisanenausrüstung und verkroch mich zum Zelten in die Rockys... Gerade wollte ich die Panzerfaust auf den ersten Doppelhelikopter anlegen, der sich am Horizont zeigte, doch da sah ich General Pimp mit dem Fallschirm abspringen – allein. Er setzte sich zu mir ans Lagerfeuer und erklärte mir die Lage. Das mit Charleston und den Kraftwerken ließe sich alles regeln, der Präsident höchstpersönlich benötige meine Hilfe. Es war irgendwas mit einem Abklingbecken für alte Turnschuhe, das mit einem Hawking-Riegel und der ultimativen Primzahl gesichert war. In einem der Schuhe sei ein ungemein wichtiges Dokument versteckt und seit Hawkings Tod wäre allein ich in der Lage, das Schloss zu knacken, ohne die Gesetze der Mathematik vollends auf den Kopf zu stellen. Ich verstand nicht alles und der General plauderte noch, als wir in Washington aus dem Hubschrauber sprangen. Jedoch erwartete mich statt einer Eskorte zum Turnschuhreaktor eine Überraschungsparty, genauer gesagt die Schrotflintenhochzeit der Präsidententochter mit meinen Cousin Howie, der den ersten Termin irgendwie verschwitzt hatte. (Das hingegen hatte ich schon gewusst: Wir waren zusammen in Havanna versackt, daher hatte man bei mir auch auf eine offizielle Einladung verzichtet.) Es gab Klapperschlangengyros und Alpakaburger und dazu große Mengen kalifornischen Rosé, insofern musste ich nicht dürsten, aber da war das Wochenende auch schon wieder rum und die beiden Tanklaster Jack Daniels stehen immer noch ungeöffnet auf meiner Hofeinfahrt. Man kommt einfach zu nichts!

10 / 2020

Souvenirs, Souvenirs

Es war mal wieder verdammt spät geworden bei unserer wöchentlichen Fizzbinrunde und die Luft war zum Schneiden. Wir hatten uns auf eine entspannte Runde West-Ohio-Six-on-the-Fly geeinigt - das ist so ähnlich wie Kill-the-Goose in der Schwarzbier-Erweiterung, aber mit vier Karten in der Mitte und den Einäugigen als Advokaten. Zufälligerweise hatte ich zwei Siebenen und der Karo Bube auf dem Tisch (in dieser Variante Halbblut genannt) zählte als dritte Sieben, außer, er passte in eine Kleine Straße oder er würde von der Pik Dame neutralisiert werden. Das schien mir ziemlich unwahrscheinlich, also wettete ich ziemlich hoch, bis alle ausgestiegen waren außer dem alten Jörns. Wir hatten schon längst Haus und Hof gesetzt, das Auto und die komplette Barschaft, aber keiner wollte aufstecken, also kratzten wir die letzten Reserven zusammen. Ich legte meinen Siegelring auf den Tisch und ergänzte kichernd, er habe die Fähigkeit, den Träger vor Gott und den Menschen wohlgefällig zu machen. Als Antwort bot mein Gegenspieler die Hand seiner Tochter Florkina, aber das würde nur zum Sehen reichen, also musste er noch was drauflegen. Verlegen kramte er in seiner Ge­säßtasche und förderte schließlich mit einem frechen Grinsen einen alten Zahnstocher zu Tage. Der hat mal Kurt Schuhmacher gehört, kicherte er, der toppt deinen ollen Ring um das Doppelte. Nach unseren Hausregeln hätte ich den Einsatz ablehnen können, aber dafür hätte ich ihm eine Karte vom Tisch exklusiv überlassen müssen, was ja schon mini­male Rückschlüsse auf meine Handkarten erlaubt hätte, und wenn das jemand zu nutzen weiß, dann der bauernschlaue Jörns. Zum Glück fand ich in meiner Börse noch eine Pre­mierenkarte für ein Stück mit Maria Schrader und im Profil meiner Wanderstiefel einen Kiesel aus dem Nördlinger Ries, der höchstwahrscheinlich einmal Teil eines sehr großen Asteroiden gewesen ist. Mein Gegenüber nahm an und erhöhte mit einem recht unschar­fen Handyfoto, das eine Seite aus einem ein apokryphen Kapitel von Rousseaus Bekennt­nissen darstellen sollte; ich erwiderte mit dem Angebot, seine ungeliebte Ligusterhecke zu roden, und er, im Fall der Niederlage sich durch meine Beihilfeunterlagen zu kämpfen. Darauf konnte ich immerhin eine antike Daguerreotypie anbieten, die einen Schwarm fliegender Untertassen über Paris dokumentieren sollte. Knurrend schüttelte der Alte den Kopf und (Hausregeln!) schob mir die Kreuz Neun rüber. Die passte nicht in mein Blatt, aber ich konnte mir zumindest fast sicher sein, dass er mir das Halbblut nicht für eine Straße mopste. Aber ich musste nachlegen... Mein Sakrosanktum, die Reitbeteiligung bei der liebreizenden Mirinda F., konnte ich nicht riskieren und auch die Mikrofilme mit der Auf­schrift „Dallas 1963“ wollte ich erst nach einer ersten Sichtung auf Spiel setzen. Die Rei­hen der Supporter hinter unseren Stühlen hatten sich gelichtet. Da kam mir die rettende Idee: Kalle Nöttenmöller (Sie wissen schon: der Schlagerkönig von 98) hatte mal im Suff versprochen, mir seine nächste Platte zu widmen, und das Ganze kaum leserlich auf der Rückseite eines Tengelmann-Kassenzettels quittiert. Mit etwas Glück würde ich den Zettel noch an meiner Pinwand finden und dann umwidmen können, versicherte ich und Jörns nickte. - Aber nur zum Sehen. Und wenn du verlierst, verbringst du das nächste Osterfest auf meinem Spargelacker. - Ich akzeptierte und präsentierte siegessi­cher die beiden Siebenen. Geschockt zeigte Jörns die anderen beiden und wir riefen nach dem Codex, in dem das Stichkriterium festlegt ist. Stattdessen erschien aber Florkina Jörns und zwar mit Augenklappe als Pik Dame verkleidet, und servierte eine Runde Köstritzer für das ganze Hinterzimmer. Das lockerte die Stim­mung etwas auf, doch bevor wir einander zuprosten konnten, bahnten sich das Halbblut und Maria Schrader den Weg durch die Menge und rezitierten peinlichste Details aus Rousseaus Schlafzimmer. Lee Harvey Os­wald höchstpersönlich knallte mir den unausgefüllten Beihilfeantrag auf den Tisch und bereitete so dem seltsamen Spuk ein Ende. Das ganze Kartenhaus stürzte über uns zu­sammen. Eine tote Gans flog über die Kleine Straße Nr. 77.

07/20

Letzten Sommer

Die Hitze hatte uns alle im Griff: In den Straßen köchelte der Asphalt, die Bäcker hatten ihre Öfen ausgestellt und das verzweifelte Hecheln der Straßenköter war zu einem bedrohlichen Rauschen angeschwollen, das überall in der Stadt zu hören war. Die es sich leisten konnten, hatten sich einen Platz in der Eistruhe eines Supermarkts in der Nähe gesichert; wir übrigen drängten uns in die schattigen Zonen des Parks und erwarteten sehnsüchtig die Ankunft der großen Zapfanlage. Stattdessen kam aber nur der Zalando-Bote und faselte etwas von einer zweimonatigen Verspätung; er bedauere sie außerordentlich, jedoch sei sein Brummi für eine Woche in Amsterdam festgekrallt worden und anschließend habe ein Krötenregen die Europastraße 5 nachhaltig verstopft. Den Untergang des römischen Imperium habe er nur knapp und mit viel Glück schadlos überstanden, dafür aber einiges an Umweg in Kauf nehmen müssen. Letztlich habe ihn aber die Schlange vor der Mautstation Oberndorf Ost noch unnötig lange geblockt. Und das alles mit dem Konkurrenzdruck der Lieferdrohnen im Nacken – richtig schrecklich sei es gewesen, fanden auch die meisten von uns und keiner fragte mehr nach der Zapfanlage. Nur ich allein wagte, die Stichhaltigkeit seiner Begründung in Zweifel zu ziehen, sowohl aus Konsistenzgründen als auch und ganz besonders unter Betrachtung der Viele-Welten-Theorie von Zibagger et al (2003). – Nicht das schon wieder! – Meine vorgeblichen Freunde reagierten genervt und drängten mich aus dem Stadtpark. Beleidigt beschloss ich, mich aufs Altenteil zurückzuziehen. Auf halbem Weg jedoch fand ich es reizvoller, als verbitterter einsamer Wolf durch die Welt zu reisen, und streckte den Daumen raus. Der Zalando-Laster hielt an und der Fahrer rang mir das Versprechen ab, nicht wieder mit Zibagger anzufangen. Dafür brachte er mich kurz zu Hause vorbei, wo ich noch ganz schnell meine Badesachen einpackte, und gemeinsam fuhren wir in den Sonnenuntergang. Dort ließ es sich aushalten.

06/2018

Road Trip mit Hatschi

Wer kennt das nicht: Einmal zu viel am Elfenstaub geschnüffelt, ein paar Stunden mit Eselskopf rumgelaufen und beim Aufwachen ein Piercing an einer dermaßen peinlichen Stelle gefunden, dass man es nicht einmal dem Frisör zeigen mag, und das zudem noch juckt. All das ist mir nicht passiert. Stattdessen wurde ich zum ersten gemeinsamen Kongress der Flachwelttheoretiker und der Gesellschaft der hohlen Erde nach Lyon eingeladen, um über Bildfälschungen mit Photoshop zu referieren, und trotz einer fetten Erkältung sagte ich zu. Da der Reisekostenzuschuss extrem mager ausfiel, fuhr ich mit Weird Tours im Überlandbus, der auf dem Weg noch den Ortsverband der Satruper Wünschelrutengänger nach Tirol karren, drei so genannte Sonnenkinder am Bodensee und einen Anthroposophen namens Philemon in Zürich abliefern und Kelly und Molly, zwei junge Mondanbeterinnen, irgendwo anders hinbringen sollte. Der etwas altersschwache Bus schaffte es gerade mal bis kurz hinter Neustadt am Rübenberge, wo wir auf einem Parkplatz mit rauchendem Motor stehen blieben und des Pannendienstes harrten. (Es könne dauern, hatte eine knäksende Stimme dem Fahrer mitgeteilt.) Als Ursache für die Störung wurden eine verschimmelte Zylinderkopfdichtung, Erdstrahlen, kosmische Teilchen sowie negative Energie vermutet. Die Meinungsverschiedenheiten heizten die Stimmung gehörig auf und zur allgemeinen Beruhigung sowie gegen möglichen Lagerkoller gab jemand seine Puderdose rum und alle durften mal die Nase reinhalten – niedlich klimperndes, duftendes Glitzerpulver aus einer Dose mit der Aufschrift „From Avalon with Love“: schön blöd, wenn Sie mich fragen, aber sogar der Fahrer, der nicht damit rechnete, innerhalb der nächsten 12 Stunden seine Fahrtüchtigkeit unter Beweis stellen zu müssen, nahm eine Prise. Nur ich lehnte aus Infektionsschutzgründen ab und rollte mich in eine Schlafdecke. Als mein Fieber bei 38,5° war, waren meine Reisegefährten komplett weggetreten und die Mogrifikation setzte ein: ihnen wuchsen Eselsohren, Eselsschnauzen und dergleichen mehr. Da kam endlich der Pannendienst, aber der Mechaniker erblickte den Haufen vor dem Bus liegender Chimären und trat das Gaspedal durch. Stattdessen öffnet sich erneut die Ladeklappe des Busses und ein Zwerg im Blaumann, aber ohne Zipfelmütze, stieg heraus. Er strich seinen Backenbart glatt und bedeutete mir grinsend, leise zu sein. Sogleich förderte er aus zahlreichen Taschen sein elfteiliges Piercing-Besteck ans Tageslicht und machte sich zunächst bei einem der Wünschelrutenfritzen ans Werk. Da verlor ich auch schon schüttelfrostgeplagt das Bewusstsein. Was dann passierte, weiß ich nicht. Nur einmal war mir, als wäre ich kurz aus dem Fieber erwacht und hätte beobachten können, wie die die Halbesel verdammt seltsame Dinge miteinander taten – die Details will ich aber hier verschweigen, es könnte schließlich auch alles nur ein Fiebertraum gewesen sein. – Am nächsten Morgen, nach der Morgentoilette (auf einem Autobahnparkplaz ohnehin nicht das reine Vergnügen), hatten die meisten ein ziemlich betretenes Gesicht aufgesetzt; andere blickten misstrauisch in meine Richtung, als sie die kleine Zange sahen, die irgendwer in meine Hemdtasche gesteckt haben musste. Nur die beiden Mondmädels grinsten mich frech an. Da piepste mein Telefon und ich erfuhr per SMS, dass der gemeinsame Kongress wegen neu aufgetretener unüberbrückbarer Differenzen vorzeitig beendet worden war und mein Vortrag somit abgesagt sei. Ich wünschte allen eine gute Weiterreise und trampte nach Hause, um mich mal ordentlich auszukurieren. Kelly und Molly schreiben mir seitdem regelmäßig Ansichtskarten. Die letzte kam aus Mexiko.

10/2018

  1. Nupsiland
  2. Öfter mal die Perspektive wechseln
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