Es hatte angefangen wie immer: Ich hatte die neue Haarfarbe meiner Freundin nicht mitbe­kommen, sie hatte mich abserviert, ich mich nach allen Regeln der Kunst besoffen und dem Abteilungsleiter im falschen Moment auf den Anzug gekotzt, war Job und Wohnung losge­worden und musste mit ei­nem mentalen Kraftakt meinem Leben eine neue Richtung geben. So weit, so gut. Diesmal versuchte ich es als Musikant, da hatte ich zumindest keine nachtra­genden Vorgesetzten zu befürchten. Ich entsann mich meiner Jugendzeit, in der ich so man­che Stunde Trockengeigenunterricht auf mich nehmen musste, und da ich mich nicht als völ­lig untalentiert herausgestellt hatte, wollte ich an die­ser Stelle wieder anknüpfen. Jedoch war ich noch nicht über „Meine Oma fährt im Hühnerstall Mo­torrad“ hinausgekommen, da vermittelte mich mein völlig vertorfter Agent ausgerechnet an ein Nassbassensemble, das gerade irgendwo in Südostasien tourte, und ehe ich mich‘s versah, hatte ich einen Knebel­vertrag unterzeichnet, der mich zwang, dem Quartett Richtung Hanoi nachzufliegen. Die di­cke Berta begrüßte mich am Flughafen, meine Ankunft war ihr und den anderen Ensemblemitglied­ern höchst willkommen. Völlig untypisch für diese Region, hatte es seit knapp vier Stunden nicht mehr geregnet und die Nassbässe versagten ihren Dienst. Allein mit meiner Trocken­geige konnte ich als erster Europäer übehaupt vor dem usbekischen Botschafter und etlichen Abge­ordneten des Zentralkommitees auftreten, um der Einweihung einer frisch installierten Abhöranlage einen feierlichen Rahmen zu verleihen. Ich sag euch, da geht ei­nem der Arsch ganz schön auf Grund­eis mit all den kritsch dreinblickenden Kaderfritzen und natürlich kam es zum Eklat, entweder wegen meines eingeschränkten Repertoires oder weil ich beim Fiedeln immer mitsummte, was in der viet­namesischen Kultur extrem verpönt ist. Mit lautem Geheul stürzten sich die Parteibonzen auf mich und meine Kollegen, und nur dem beherzten Eingreifen des Botschafters ist es zu verdanken, dass wir nicht an Ort und Stelle in Stücke gerissen wurden. Mit unseren Instrumenten prügelten wir uns buchstäblich den Weg frei, wobei sich Bassgeigen als außerordentlich schlagkräftig herausstellten. War das ein Gemetzel! Natür­lich waren wir chancenlos, aber wir verkauften uns so teuer wie möglich und schlugen uns bis zum Ufer des Roten Flusses durch, wo mich Berta in ihren Basskoffer steckte und ins Wasser warf. Von ihr hab ich seitdem nichts mehr gehört; ich selbst wurde erst in Singapur wieder an Land gespült. Das gab noch mal acht Monate Straflager wegen Strandverschmut­zung, kein Zuckerschlecken, sag ich euch, aber ein Pap­penstiel gegen meine Zeit in Vietnam. Da kenn ich mich aus.

07/2019