Auf einer meiner zahlreichen Reisen, die ich zu Bevorratungszwecken ins schottische Hochland unternommen habe, traf ich auf Bernhard Friemel, einen etwas verqueren, aber durchaus originellen Geist. Er ging gerade der Frage nach, ob sich weltweit mehr Land oberhalb des Meeresspiegels oder Wasser unterhalb befindet, und zwar volumenmäßig, also vereinfacht ausgedrückt, ob die gesamten Landmassen in den Tiefseegräben Platz hätten, wenn man sie mit einem gewaltigen Bulldozer dort hineinschieben würde. Die dabei von mir ins Feld geführten Einwände, dass dabei der Meeresspiegel natürlich weiter ansteigen würde und dass die gesuchten Zahlen in mindestens einem Internetlexikon nachzuschlagen wären, fand er nicht der Rede wert; stattdessen sammelte er mit Messlatten, Sextanten und Höhenmessern sowie einem nicht billig aussehendem Laptop ausgestattet Unmenge von Daten für eine Reliefkarte der Erdoberfläche. Ein paar Jahre später traf ich ihn wieder in einem Sanatorium auf Mount Gaga. Ich war dort in Behandlung bei Professorin Helena Petrovna Liebesdienst, um mich von einer gescheiterten Ausbildung zum Telefonseelsorger zu erholen und um eine Depawlowisierung meiner Atemwege durchführen zu lassen; Bernie war dort, weil er der zwar originelle, aber letztlich eben doch ziemlich verquere Bernhard Friemel war. Gemeinsam ertrugen wir plörrigen Fencheltee und Schwarzbrot mit Rorschachmarmelade, ließen Gesprächstherapie, Schrumpfstrumpfanwendungen und Kaltwasserkuren über uns ergehen. Abends schlichen wir uns zum Rauchen in den Park, vertranken im Pavillon meine Mitbringsel aus den Highlands und spielten Filmzitate raten (siebenunddreißig zu eins - Rob Zombie sei Dank!) oder plauderten über unsere anstehenden Projekte. Eines Nachts störte uns plötzlich ein leises Rumpeln, das sich langsam, aber bedrohlich zu einem infernalischen Gepolter steigerte, und ergriffen die Flucht. Da wurden wir Zeuge, wie eine ungelogen haushohe Planierraupe gerade die gesamte Klinikanlage ins Tal beförderte. Gesteuert wurde das mechanische Ungetüm von der gehässig lachenden Professorin, deren irres Kreischen selbst den im Gefährt verbauten ohrenbetäubend puckernden Schiffsdiesel übertönte. Schon wurde der Klinikpark zu einem Haufen Erde zusammengeschoben und wir sahen uns mit ihm den Weg alles Irdischen gehen, da erwachten wir aus unserem gemeinsam erdachten Gespinst und fanden uns in gerade jener kleinen schottischen Herberge wieder, in der wir angefangen hatten, Bernies Pläne durchzudeklinieren. Es waren nicht einmal drei Tage vergangen.
10/2019