Die Hitze hatte uns alle im Griff: In den Straßen köchelte der Asphalt, die Bäcker hatten ihre Öfen ausgestellt und das verzweifelte Hecheln der Straßenköter war zu einem bedrohlichen Rauschen angeschwollen, das überall in der Stadt zu hören war. Die es sich leisten konnten, hatten sich einen Platz in der Eistruhe eines Supermarkts in der Nähe gesichert; wir übrigen drängten uns in die schattigen Zonen des Parks und erwarteten sehnsüchtig die Ankunft der großen Zapfanlage. Stattdessen kam aber nur der Zalando-Bote und faselte etwas von einer zweimonatigen Verspätung; er bedauere sie außerordentlich, jedoch sei sein Brummi für eine Woche in Amsterdam festgekrallt worden und anschließend habe ein Krötenregen die Europastraße 5 nachhaltig verstopft. Den Untergang des römischen Imperium habe er nur knapp und mit viel Glück schadlos überstanden, dafür aber einiges an Umweg in Kauf nehmen müssen. Letztlich habe ihn aber die Schlange vor der Mautstation Oberndorf Ost noch unnötig lange geblockt. Und das alles mit dem Konkurrenzdruck der Lieferdrohnen im Nacken – richtig schrecklich sei es gewesen, fanden auch die meisten von uns und keiner fragte mehr nach der Zapfanlage. Nur ich allein wagte, die Stichhaltigkeit seiner Begründung in Zweifel zu ziehen, sowohl aus Konsistenzgründen als auch und ganz besonders unter Betrachtung der Viele-Welten-Theorie von Zibagger et al (2003). – Nicht das schon wieder! – Meine vorgeblichen Freunde reagierten genervt und drängten mich aus dem Stadtpark. Beleidigt beschloss ich, mich aufs Altenteil zurückzuziehen. Auf halbem Weg jedoch fand ich es reizvoller, als verbitterter einsamer Wolf durch die Welt zu reisen, und streckte den Daumen raus. Der Zalando-Laster hielt an und der Fahrer rang mir das Versprechen ab, nicht wieder mit Zibagger anzufangen. Dafür brachte er mich kurz zu Hause vorbei, wo ich noch ganz schnell meine Badesachen einpackte, und gemeinsam fuhren wir in den Sonnenuntergang. Dort ließ es sich aushalten.

06/2018