Die Schwiegermutter hatte ihren Besuch angekündigt. Während meine Gattin nicht nur die Küche, sondern auch eben mal kurz Stube, Bad, Flur und Keller auf Vordermann brachte, begann ich eher lustlos die obere meiner drei Schreibtischschubladen auszumisten. Neben meinem Skizzenblock, fünf gequetschten Bierdosen, einer Unmenge geklauter Kugelschreiber und dem obligatorischen Rest einer Croque-Mahlzeit (mit Linse-Haselnuss-Bratling) fiel mir eine Dynamitstange in die Hände, unbenutzt, versteht sich, aber mit Lunte. (Das Ding war, wie auch die Bierdosen, aus dem vorletzten Angelurlaub in den Spreewaldsümpfen übrig geblieben, wo Fiete, Groggy und meine Wenigkeit versucht hatten, auf Brasse zu gehen, aber das ist eine andere Geschichte.) Was also tun? Da ich keine Lust hatte, den Kampfmittelräumdienst durch unsere in solchen Putzphasen wirklich nicht präsentable Wohnung zu führen, packte ich den Sprengkörper in Watte und fuhr damit zu Efraim „Big F“ Scheuermann, der in einer Scheune am Ortsrand ein Museum der abgelegten Phallussymbole betreibt. Big F pustete gerade die Holzwolle von der frisch eingetroffenen Jadestatuette eines ovomaltekischen Wurzelgotts und gewährte mir und meinem Fund nur halbe Aufmerksamkeit. Oh, Dynamit, brummelte er, ohne die Kippe aus dem Mund zu nehmen, leg‘s zu den anderen in die Kiste da hinten, ja? Zuerst war ich ein wenig gekränkt – etwas mehr Dankbarkeit hatte ich schon erwartet – aber dann musste ich einsehen, dass so ziemlich alles, was auch nur ansatzweise penisähnliche Proportionen hatte, bereits in mehrfacher Ausführung vorhanden war, von elektrischen Zahnbürsten und Blumenvasen über unzerquetschte Bierdosen, Regenschirme und Spielzeugeisenbahnen bis hin zu… Da erschien meine Frau mit ihrer Mutter und zwei Spezialisten des Kampfmittelräumdienstes im Museum. Sie alle hatten Gummihandschuhe und Gasmasken übergezogen und lieferten den Croque-Rest aus meinem Arbeitszimmer ab. Der erfreute Big F schon mehr und als Dankeschön durften wir uns etwas aus dem Mitmach-Raum aussuchen. Schwiegermutti lud den Kofferraum des Volvo voll und meine Frau wählte zielsicher eine skandinavische Stehlampe fürs Wohnzimmer. Ich dagegen ließ nur ein paar Kulis mitgehen, die passten gerade noch ins Handschuhfach.
10/2018