Brauchen Sie noch ein Synästhesie-Modul? Ich hätte eins über. Für lau! Ich war mal wieder zu unge­duldig und hatte es wahrscheinlich falsch verdrahtet. (Um Gebrauchsanweisungen kümmert sich bei uns immer meine Frau, aber die macht ja grad Mutter-Kind in Bad Salzu­flen.) Und zuerst hat das Ding auch gut funktioniert: Eine neue, ach was, unzählige neue Di­mensionen der Weltwahrnehmung taten sich auf: Bei jeder schwarzen Fläche, die ich sah, war es, als stiege angenehmer Zimtgeruch in meine Nase, bei Rot erklang eine Beethoven-Synfonie. Gelb fühlte sich ledrig an, Blau schmeckte nach Sex On The Beach (dem Cocktail) und Grün war einfach nur Zweiundvierzig – wow! Orange ging noch („Zombie-Action“), aber sobald ich eine zu verstiegene Farbmischung betrachtete, war die Syn­ästhesie nur noch schwer zu ertra­gen. Türkis weckte eine Empfindung, die an eine Nasenspülung mit hei­ßer, fetti­ger Rinderkraft­brühe erinnert, Beige klang nach dem Knacken von Fingergelenken und Minz­grün war das alle sieben Sinne triggernde Pendant zu einer lieblos angerührten Pampe aus künstli­chem Ananasaroma und Natriumglutamat (welche im Übrigen als E-Zigarren-Liquid unter dem Namen Einhornfurz erhältlich ist). Das war schon grenzwertig, schlimmer aber waren noch die Pastelltöne, denn die riefen in mir das Bild von eingeschlafenen Füßen hervor, Blassrosa sogar von eingeschlafe­nen haa­rigen Fü­ßen und Altrosa von eingeschlafenen haarigen Füßen mit lackierten Zehen­nägeln, und zwar mit un­terschiedlich lackierten Nägeln: Beige, Moosgrau, Gelbweiß, Pastell-Aubergi­ne, Dolly-green, Pistazie, Crème, Rosé, Malve und schließlich – Altrosa! Ein Schwall von Zu­satzempfindungen wurde von den Zehennägeln in mein Bewusstsein gedrängt, ein­schließlich noch weiterer Meta-Zehennägel mit noch mehr Synästhesien dritten und höhe­ren Grades – fürchterlich! Ich war in einem Teufelskreis der Selbstreferenz gefangen und muss wohl zit­ternd und sabbernd über dem Musterbuch gesessen ha­ben, das uns der Maler dagelassen hatte, als mich mich nach zwei Stunden mein Schwager in der Küche fand und mich mit ein paar kräftigen Watschen und einer Nasenspülung mit heißer, fettiger Rinderk­raftbrühe aus der katatonischen Agonie erlöste. Das Modul wurde eher unsanft entfernt und liegt seitdem unbenutzt herum. Ich kann die Funktionsfähigkeit nicht garantieren, aber für Bastler könnte es noch von Interesse sein.

11/2018