Es war wieder Vollmond. Ich rannte nackt zwischen den Bäumen hindurch, fletschte mein grauenerregendes Gebiss, wälzte mich im Sand, stimmte ein durchdringendes Geheul an, bis meine mit Lockenwicklern verzierte Ehefrau die Terrassentür öffnete und mich auf die schlafenden Nachbarn verweisend aus der Sandkiste scheuchte. - Nach einer langen, sehr kalten Dusche zog ich mich an und verkroch mich in mein Labor. Heute war ein guter Tag, um Saturex-2000 zu vervollständigen, den ultimativen Superkleber. Keiner vor mir hat es geschafft, das Zeug im Reagenzglas zu synthetisieren. Der normale Weg, an den Stoff zu gelangen, besteht darin, unter Verletzung sämtlicher international gültiger Artenschutzrichtlinen einen zwölfarmigen Isokalmar aus einem unterseeischen Vulkanschlot zu zerren, in flüssigem Argon langsam zu dekomprimieren, um anschließend mit einer Injektion von etwa fünf Litern Essigsäure eine Art Krampfanfall zu provozieren, bei dem der Kalmar sämtliche Tentakel so sehr hin- und herschlackert, dass aus seinen Saugnapfinnendrüsen der normalerweise beim Umklammern von zentnerschweren Beutetieren, aber auch bei Stress freigesetzte Klebstoff durch die Gegend spritzt und aufgefangen, leider aber nur bei etwa 20°C in Nitroglycerin gelagert werden kann, da die Substanz sonst aushärtet. Schlackertentakel und zimmerwarmes Nitro sollten sich aber nicht unbedingt im selben Gebäude befinden, also standen meine Chancen nicht schlecht, mit einer künstlichen Herstellungmethode auf ewig in die Annalen der Industriekleberchemie einzugehen. (Bei den Tierschützern konnte ich auch noch was gutmachen, aber das nur am Rande.) Doch da fiel mein Blick auf den Kalender: Heute war ja nicht nur Vollmond, sondern auch Starkbieranstich und meine Frau war als Rednerin im Schirracher Festzelt gebucht. Also rein in die Fußballschuhe und los!

10/2019