Meine Nachbarn aus Neu Ballerbü wollten mir eine besondere Ehre erweisen und luden mich zum Barbecue-Contest ein. Torge, Micha und Alex hatten ihre gigantischen Smoker durchgeheizt, um bei mehreren Hundert Grad Betriebstemperatur innerhalb von zwanzig Sekunden pizzatellergroße T-Bone-Steaks mit Kohlekruste zuzubereiten. Meine Grünkern­bällchen an Couscousflädchen wurden (selbst von den Ehefrauen) nur belächelt, da zog ich vom Leder: In meiner wilden Zeit, als ich noch an so manchen Elfenbeinturm gepisst und im Auftrag des Geharnischten Fußpilzquartetts mit gefaketen Theaterkritiken die Liga der Schwurbulato­ren aufgemischt hatte, als Holzfällerhemden noch als Berufskleidung galten und Bier aus­schließlich in Halbliterflaschen gereicht wurde, da war Grillen noch richtige Ar­beit gewesen. Ausgewachsene Kühe hatte ich mit den bloßen Händen erwürgt und ihnen zum Ausbluten die Pulsadern aufgebissen. Mit Fell und Innereien wurde das Tier dann samt einer Schubkar­re voll rotglühender Braunkohleklumpen in ein Erdloch geworfen, noch eine Fuhre Kohlen obendrauf, mit vier Zentnern Erde abdecken und einen Tag warten (der geht schnell rum, wenn für genügend Vodka gesorgt ist) – fertig war das Festmahl. Heutzutage achtet man ja mehr auf seine Gesundheit, da heize ich mit Kokosschalenbriketts und nehme statt einer Kuh oft einfach je einen halben Fuder Kürbisse, Runkelrüben, Weißkohl und fer­mentierten Elefantenporree. So schwärmte ich, aber meine Kumpels wandten sich angewi­dert ab und sprachen nur noch über Football, Frontspoiler und Karrierechancen in dem neu­en an­gesagten Startup aus der Vorstadt – da war ich raus. Am nächsten Nachmittag jedoch sah ich Micha, wie er im Vorgarten eine große Grube aushob. Als Friedensangebot nahm ich meinen Spaten mit rüber, um zu helfen, doch da stieß er schon auf ein altes Dioxinfass. Spä­ter förderten wir noch ein paar Dosen Heringe, sechshundertdreiundzwanzig Kronkorken, die in Cello­phan verpackten Gebeine eines lange vermissten Münsteraner Tennisspielers, ein fast funktionstüchtiges Mo­ped, den halb vollen Außentank eines Starfighters, einen ekel­haft verpilzten Fußharnisch sowie etliche mittlerweile kaum noch überraschende Details zur CDU-Spendenaffäre zu Tage. Odi­le telefonierte sofort mit ihrem Anwalt, Annekathrin bekam einen Schreikrampf und Joline – sonst immer die tougheste von uns – lud wortlos die Kinder in den Berlingo und verschwand zu ihren Eltern. Zwei Tage später war unsere hübsche klei­ne Reihenhaussiedlung geräumt. Die Abfindungen waren nicht schlecht, aber ob ich noch mal so nette Nachbarn erwische, ist ungewiss.

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