Vor sechs Wochen bekam ich eine eMail von meiner Oma. Oma ist fünfundachtzig und sieht es nun wirklich nicht ein, sich mit jedem technischem Schnickschnack auseinanderzusetzen, der auf dem Markt ist. Daher bennutzt sie diese altertümliche Art der Kontaktaufnahme, anstatt mich über soziale Netzwerke zu kontakten oder anzuappen.

„Ich will meine letzten Lebensjahre nicht mit dem Studium von Bedienungsanleitungen verbringen. Willst du mein Smartphone haben, oder ist dir ein Pyros-Xs zu uncool?“

Mal ehrlich: Ich habe keine Ahnung, wie meine liebe Großmutter an ein mittelmäßig hippes, aber günstiges Low-End-Smartphone gelangt ist, und ich werde auch nicht fragen. Oma ist wahrhaftig nicht der Typ alte Dame, die sich auf einer Bustour die obligatorischen Heizdecken, Eierlikör oder eben Kommunikationselektronik andrehen lässt, und genauso wenig unterschreibt sie Knebelverträge bei Telefonhalunken, die einem für zehn Jahre überhöhte Grundgebühr eine Sachprämie schicken. (Dem letzten Schanghai-Anrufer von Versatel hat sie mit einer Rückkopplung von Telefonlautsprecher und Hausnotrufanlage das Trommelfell zerschossen. Der altbekannte Trillerpfeifentrick, aber weisen Sie mal hierbei einer alten Dame böse Absicht nach...)

Oma ist also eigentlich ziemlich gewitzt, aber aus unerfindlichen Gründen wollte sie ihrem Lieblingsenkel ihr Pyros-Xs, mit dem sie offenbar nicht klar kam, vermachen.

Fortan war ich also wieder in vollem Maße kommunikationsfähig, denn bis dato hatte mich die technologische Entwicklung ein wenig abgehängt. (Mein altes Mobiltelefon passte kaum in die Jackentasche und mein Table-Top-Rechner war so alt, dass sich die Nachbarn schon über den Prozessorlüfter beschwert hatten.) Danke, Oma.

Nun war also ich auch stolzer Besitzer eines ultraflachen Mikrocomputers, mit eingebauten Gadgets wie Stereoanlage, Kamera, Gitarrenstimmgerät, Kompass, Flug- und Schießsimulator, Wetterstation, Börsenbarometer, Kochbuch und – tatsächlich – einem Telefon. Genauer gesagt, musste ich mir die Telefonfunktion als App herunterladen, was zum Glück ging, denn die Internetverbindung war tatsächlich schon eingerichtet. Und zu meiner großen Verwunderung war der Download der Telefon-App sogar kostenlos, zumindest in der Basisversion – die aber erst nach langem Suchen im Online-Store zu finden war. Vorinstalliert waren hingegen ein Internetbrowser und ein Mailprogramm.

Allein eine Kleinigkeit störte mich, nämlich dass jede eMail ergänzt wird mit den Worten „Verfasst und verschickt mit meinem nagelneuen Pyros-Xs-Smartphone. Ich bin ja soooo glücklich!

Das nervt, aber so ein kleines Problemchen muss doch schnell zu fixen sein, sollte man meinen.

Die Praxis schert sich leider einen Dreck um das, was man meinen sollte. Jedenfalls war in den Mail-Optionen keine Möglichkeit, diesen Text irgendwie zu deaktivieren. Dabei gibt es laut Gossipedia genügend Pyros-Xs-Nutzer, die sich mit einem veränderten Mailfortsatz als iPhone-Besitzer gerieren, und Wikileaks behauptet, etwa die Hälfte aller angeblichen von iPhones versendeten Mails komme von Billig-Smartphones.

Google konnte weiterhelfen: Rat und Trost bei Pyros-Problemen aller Art verspricht die Webseite www.pyrosxsfriends.de, ein Selbsthilfeforum mit angeblich 40.000 Mitgliedern allein in Deutschland. Ein Haufen cooler Hunde, die das Pyros-Logo und den Leitspruch „Der Apfel war gestern“ als Tatoo auf dem Unterarm tragen.

Ich gehöre nicht dazu. Denn schon beim Anmelden im Forum ploppte ein Fenster auf:

Lieber Interessent. Dieses Forum ist für Pyros-Xs-Nutzer vorgesehen, die sich bereits minimal mit moderner Kommunikationstechnik auskennen. Aus deinen Verbindungsdaten geht hervor, dass du weder die Online lesbare Bedienungsanleitung zur Kenntnis genommen hast, noch dich ernsthaft (d.h. mehr als zwei Stunden) mit der Hilfefunktion auseinandergesezt hast. Besuche bitte zunächst das Forum pyros-xs.doofeanfaengerfragen.de. Mit großer Wahrscheinlichkeit helfen dir dort die Gruppen „Archiv-Suche für Idioten“ und „Zu blöd für den Jailbreak“ weiter. Vielen Dank für dein Verständnis, du dummer Arsch!

Einige Klicks später habe ich dann herausgefunden, dass es das Portal für Anfängerfragen gar nicht gibt, stattdessen aber eine Anleitung, wie man sich im Pyros-Hilfeforum doch anmelden kann, indem man das erste Formular irgendwie mit einem Umweg über eine russische Partnerseite umgeht. Da hatte ich das Pyros-Xs bereits an Tante Hildegard verschenkt. Die ist erst zweiundsechzig und hat noch ein paar Jahre mehr, die sie mit dem Studium von Manuals verballern kann. Irgendwie war das Ding auch wirklich uncool.

Geschrieben, layoutet und online gestellt mit meinem neuen nexus 4. Bin ich geil, oder bin ich geil?