Außerirdische haben es schwer, gerade in einem nicht mit einem Übermaß an Weltoffenheit gesegneten Land wie unserem. Ein guter Teil der Lebenszeit unserer Besucher geht beispielsweise dafür drauf, sich mit Unmengen an Kleister, Schminke und Puder ein einigermaßen menschliches Gesicht zu gestalten, und oft genug gelingt dieses Unterfangen nur bedingt.

Meine Nachbarin Frau Schenkel ist so ein Typ. Neulich bat sie mich in ihre Wohnung, vielleicht hatte sie mich mich mit dem Briefträger verwechselt. Auf jeden Fall gewährte sie mir einen Blick nicht nur auf ihre Batterie an Kosmetikutensilien, mit denen sie die den Barteln von Welsen ähnelnden Auswüchse an ihren Schläfen leidlich kaschierte. Im Wohnzimmer hatte sie ein riesiges Teleskop aufgestellt, welches genau auf die Schulter des Orion gerichtet war, wo sich wohl ihre Heimatwelt verbergen mag. Was die Arme wohl auf unseren Planeten gelockt hatte? Ich weiß, was Heimweh bedeutet, und bin ein guter Zuhörer. Insofern bin ich vielleicht der ideale Kandidat für ein paar tröstende Worte; doch bevor wir uns richtig unterhalten konnten, entdeckte ich im Küchenscharank eine Sammlung von Glasgefäßen, die an das Obskuritätenkabinett im Keller der Tübinger Anatomie erinnerte: Kreuzungen verschiedenster geflügelter, geflosster, gehörnter und getentakelter, segmentierter, walzen- oder röhrenförmiger Tiergruppen, kleine Homunkuli mit einer ungeraden Anzahl an Gliedmaßen – das ganze Programm...

Meine Gastgeberin beeilte sich zu erklären, sie bekäme diese Wesen aus einem Spezialversand für asiatische Lebensmittel, aber der halbvolle Kanister Formalin unter der Spüle ließ mich Schlimmeres befürchten. Schon sah ich mein eigenes Abbild in einem Gurkenglas vor meinem inneren Auge entstehen und mich packte das Grausen. Ich entschuldigte mich unter einem Vorwand und verließ die Stadt, ohne meinem ersten Impuls nachzugeben und nach der Polizei zu rufen.

Wer würde mir schon glauben? Sie etwa?