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hirniges puzzle 

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  • Grenzen der Bifurkation
  • Wir beschwören einen Dämon, wenn sie kommt

Was Sie (auch) lesen wollen

Das Fest des Heiligen Honepips gerät zum Desaster, zumindest wenn Tante Gerta dazwischenfunkt. Und das tut sie in Bekenntnisse eines Kulturimperialisten.

Railo ist vielleicht nicht mein bester Freund, aber der mit der längsten Anreise. Er kommt von Nupsiland.

Wollten Sie nicht immer schon mal wissen, was Möbius-Tetraeder sind? Was tun gegen Affenhaar-Allergie? Und überhaupt: Wohin soll die Reise gehen?

Zu Beginn steht die Afäre seiner Lady Plus mit dem Knixus von Vollertsheim-Beta und Lady Plus in Mein Leben als Spülmaschinenbesitzer.

Von der Unmöglichkeit, ein Werkzeug mit sich selbst zu reparieren, lesen Sie in Bob Singleton's Dream.

Lange Zeit hatten wir völlig unbeteiligt nebeneinander gewohnt. Dann kamen wir einander näher. Doch zu viel Nähe war gefährlich und sie blieb allein, die arme Frau Schenkel.

Ein scheinbar harmloser Werkzeugschuppen entpuppt sich als Drogenversteck in Der Griff nach der Krone.

Eine der vielen Schreckensvisionen des hochgeschätzten E. A. Poe wird wahr in Die Brille.

Die Tücken der Technik spielen uns mal wieder einen Streich in Danke, Oma!

Der Ich-Erzähler schwankt zwischen Materialismus und Transzendenz  und lässt es dann mal so richtig krachen in Mächtiges Badabum.

Die großen Fragen des Daseins werden zwar nicht geklärt, aber alles, was man mit Ja oder Nein beantworten kann, erfahren wir in Herrenabend.

Eine Geschichte, in der weder sprechende Staubsauger noch grinsende Geranien vorkommen, ist Assimilation.

Er hatte sich mal wieder im Ton vergriffen und musste nun die Konsequenzen tragen. Das ist schlimm, denn er war nur Auf Bewährung draußen.

Grauenhafte Kreaturen und eine kleine Portion Wahnsinn warten auf Sie. Hüten Sie sich vor Gehirnthalers Honmunkuli!

Bin kurz weg

Um zu verhindern, dass die altehrwürdige Bruderschaft des Dingsda endgültig in die Bedeutungslo­sigkeit absackte, bedurfte es beherzter, unkonventioneller Methoden: Ein sinnvoller erster Schritt wäre es, Commander Prambs Wokwürfelimperium endgültig zu zerschlagen oder auch sämtliche Steppjacken der nördlichen Hemisphäre nötigenfalls mitsamt der Trägerin im nächsten aktiven Vul­kan zu versenken; beide Vorschläge wurden jedoch als wenig realistisch abgetan. Praktikabler erschi­en es da, die letzten großen Anagramme zu HUNDERT NACKTE WEIBER AUF DEM MÄNNERPISSOIR ausfindig zu machen und damit wenigstens Googles KI beim alljährlichen Turing-Contest in die Schranken zu verweisen. Und hier komme ich ins Spiel, wenn auch nur als Verlegenheitslösung. Denn die unangefochtene Meisterin in der Buchstabenpermutation, Dr. Chitoko Flens, war zuletzt in einem Helikopter Kurs Ätna gesichtet worden, und so musste man mit mir vorlieb nehmen, selbst wenn ich der Buderschaft bestenfalls locker verbunden war und außerdem gerade unter einer hefti­gen Schreibblockade litt. Die Majonaise hatte sich getrennt und Heike gleich mit; und Peer war schon an ihr dran, munkelte man. Eifersucht und die Trauer um die wohlgeformten Zehenzwischenräume meiner Verflossenen hatten sich in Bergen ungespülten Geschirrs und gigantischen Haufen von Schmutzwäsche manifestiert und der Legat der Bruderschaft konnte meinen Klingelknopf nur über zwei Paletten Altglas mit einem Teleskopstock erreichen. Dann jedoch musste er hartnäckig bleiben, was zu etwa gleichen Teilen meiner lethargischen Grundhaltung und der Vormittagsdoku über Fami­lie Schmitz geschuldet war, deren Dänischer Dogge im Spanienurlab von einem serbischen Apothe­ker auf einem japanischen Motorrad der rechte Hinterlauf verletzt worden war, und die nun mit ei­nem Bayrisch sprechenden Anwalt um Satisfaktion verhandeln mussten. Das immerhin wirkte zwar recht inszeniert, aber irgendwie kathartisch und so bequemte ich mich nach dem zweitausendsie­benhundertdreiunddreißigsten Schellen (ich muss mitzählen – immer!), die Tür zu öffnen. Mit dem Abgesandten leerte ich dann die verbliebene halbe Kiste Chablis, rief den Oberen Bundesbruder an und lallte etwas wie PRAMBS WOKSAUEREI FRUCHTET IN DEINEN DÄRMEN in die Muschel. – Das war der Durchbruch! Keine zwei Monate später war der Commander abgewickelt, das Steppjackenpro­blem hatte sich von selbst erledigt (leider zugunsten kaum kleidsamerer Wachsjacken) und die dank­baren Bundesbrüder hatten meine Wohnung aufgeklart und meinen Nebenbuhler ohne Smartphone in der Ibbenbürener Innenstadt ausgesetzt. Ich mache mich derweil als gemachter Mann und Self­made-Ehrenbruder auf die Suche nach Heike, auch wenn ich dafür in den Schlund dieses Isländi­schen Vulkans mit dem unaussprechlichen Namen hinunterklettern muss. Ich schätze, ich bin in ei­nem halben Jahr wieder da. Bis da-hann!

03/2019

Sex aus Neunundvierzig

Meine Katasymbiontin Bellatrix rollt meistens nur mit den Augen, wenn ich freudestrahlend vom Trödler wiederkehre – ein Signal hauptsächlich der Resignation, vielleicht aber auch ein bisschen iro­nisiert, hoffe ich. Um so überraschter war ich vorgestern, als ich mit nur zwei Neuerwerbungen nach Hause kam, sie jedoch völlig geschockt, also kreidebleich und der Muttersprache beraubt, nach dem Obstler griff. (Ich war gern behilflich.) Zugegeben, wer braucht schon ein mechanisches Klavier, zu­mal eines, das nicht etwa automatisch Musik macht, sondern herumfährt und Getränke serviert? Es hatte einem Dotcom-Fritzen mit einem riesigen Wohnzimmer gehört, in dem er regelmäßig große Gesellschaften empfing, und die Gäste konnten dann etwas klimpern, während der Drink gemixt wurde. Unsere Stube war zugegebenermaßen nicht ganz so geräumig und stand auch schon ziemlich voll (wir empfangen zumeist zu Gartenpartys), also mussten wir erst einmal ein wenig rangieren, be­vor das gute Stück neben Dampfradio und Couchgarnitur Platz fand. Mein zweites Item war ein schlichtes kleines Holzbrett mit genau 49 Bohrungen, in denen winzige Glasphiolen steckten, Par­fumpröbchen nicht unähnlich. An jedem der Löcher war ein kleiner Name eingraviert, und der Ver­käufer hatte mir im Flüsterton offenbart, die Ampullen beinhalteten die ganze Essenz der jeweiligen Person, freilich ohne Hinweis darauf, wie diese extrahiert worden wäre. Schade war auch, dass die interessantesten Extrakte (von Alfred Jarry etwa oder Charles Dexter Ward) bereits fehlten, wohinge­gen Langweiler wie Karl der Vierte oder Maria Furtwängler noch der Entnahme harrten. Also testete ich vorsichtig einzelne Tröpfchen. Ich ließ Einsteins Geruch auf mich wirken, schleckte an der Furt­wängler, träufelte mir Lady Gaga in die Augen und schrieb mir mit Konrad Adenauer „Keine Experi­mente!“ hinter die Ohren. Nichts passierte. Enttäuscht entleerte ich alle Phiolen in den Wassertank meiner Entropie-Kaffeemaschine, stopfte das Sieb mit der dunkelsten verfügbaren Bohne und gab 170 Atü. Trixi blieb beim Obstbrand und übte überdies seit einer halben Stunde den Flohwalzer, also gönnte ich mir den ganzen Sud, zerschmetterte die Tasse an der Wand (das machen wir immer so) und lehnte mich in Erwartung der ultimativen Erkenntnis auf dem Sofa zurück – also zwischen Bella­trix und einem ausgestopften Eselfohlen, das vor etwa zwei Monaten bei uns Asyl gefunden hat. Die Wirkung des Gebräus war tatsächlich ungewöhnlich: Zuerst kam nur ein Schluckauf, dann juckte mein rechtes Knie und ich wurde von ein akustischem Flashback mit den schönsten Sentenzen aus dem Munde von Oberinspektor Derrik heimgesucht. (Der übrigens fehlte in der Matrix der Neunund­vierzig!) Schließlich aber kroch die ungefilterte Wahrheit über Alles und Jeden durch meine Hirnwin­dungen und schraubte sich in mein Bewusstsein. Es erschloss sich mir das komplette Weltprinzip, das bestimmt irgendwann einmal als vierter Hauptsatz der Thermodynamik Einzug in die Lehrbücher finden wird. Mit Rücksicht auf alle Beteiligten behalte ich die Einzelheiten jedoch vorerst lieber für mich.

02/2019

Eine unerwartete Nachricht

Ich lag gerade unter einem Olivenbäumchen und freute mich der Mittagssonne, da landete Hubi, die Postgans, neben mir und zog die seit zwei Tagen überfällige Karte meines Ferngopartners aus der Ledertasche. Heho, Bruder Gans, was gibt's Neues in der Welt, begehrte ich zu wissen, berichte mir und wir nehmen heute Abend beim Kleewirt einen Humpen zusammen. Hubi antwortete: Wacker gesprochen, Gevatter! Die Erbsenpreise fallen wieder, sagen die Gelehrten, und der Herbst zieht schon mächtig übers Land. Außerdem hat König Furunkel seine älteste Tochter endlich verheiraten können und gibt ein Festbankett für den Landadel und die Innungsoberen aus der Hauptstadt. Uns mag das nicht betreffen, aber - nun senkte sich der Gänseschnabel verschwörerisch zu mir hernieder - man spricht von einer allgemeinen Begnadigung. Bis auf Diddl und Jorette sollen alle großen und kleinen Schurken aus den Kerkern gekehrt werden und das heißt... - ... selbst der Schweraussprechliche wird wieder sein Unwesen treiben, vervollständigte ich und verfiel in tiefes Grübeln, während mein Freund zum Abschied die Postmütze lupfte und sich dann in den weiten Himmel erhob. Der Schweraussprechliche... murmelte ich. Wir hätten ihn damals am nächsten Windmühlenflügel aufknüpfen sollen... Andererseits: Mit wem hätte ich Ferngo spielen sollen? Und seitdem außerdem der Wind kaum mehr weht, wurden fast alle Mühlen abgebaut und durch Hundestudios und Kosmetiksalons ersetzt. Selbst vor unserem kleinen Land macht die stetige Veränderung nicht halt. Nachdenklich machte ich mich auf den Weg nach dem Kleewirt. Anderswo gab es schon elektrische Galgen.

10/2019

Reprise in Z moll

Nach einer mehr oder weniger gelungenen Close-reading-Attacke auf Zibaggers Viele-Welten-Theorie zerfasert die ganze selbstverzweckte sinnüberladene Wohlfühligkeit des bürgerlichen Lexikalismus und man steht eigentlich nur noch vor der Wahl, diese jammervollen grau beschlipsten Bohrköpfe von der Singularitätsfraktion voller Verachtung in den Sonnenuntergang zu niesen oder einen or­dentlichen Schluck aus der Nierenpulle zu nehmen und zusammen mit dem grünaugigen Gerichts­vollzieher die ewigen Jadggründe des atavistischen Hühnergotts zu verunsichern. Dachte ich jeden­falls, aber dann tat sich mir eine dritte Alternative auf, eine, die weder in Zibaggers Register noch in der legendären Son­derausgabe von Meine Familie und ich zur deutschen Wiedervereinigung zu fin­den ist: das Trompeti­kon. Sie denken, ich bluffe nur, aber weit gefehlt: Ich hatte aus purer Verzweif­lung an einer Apfelmu­stube geschnüffelt und nach mindestens drei Gründen gesucht, warum ich dem sauertöpfischen Chef­kassierer des Baumarkts um die Ecke nicht einfach mal einen Floh namens Mozart ins Ohr setze (wie unschwer zu erraten ist, ist mir nicht einer eingefallen), da erschien es vor mir ganz strahlend und klar, es schälte sich geradezu in meine Welt hinein. Nein, ich halte mich nicht für einen Auserwählten, und ja, jeder kann das Trompetikon finden, nur offenbart es sich niemals mehrfach in derselben Gestalt, sel­ten unter demselben Namen, und das Antifokalisierungsfeld ver­nebelt jedem, der allzu scharf hinsieht, den Blick, sodass man eben (wie in meinem Fall) sehr viel Glück braucht, jedenfalls mehr Glück als Verstand, und das ist bei Menschen, die sich erfolgreich mit Zi­bagger auseinandersetzen, verdammt selten. Genützt hat es mir übrigens auch nichts, denn als ich versuchte, mit einem kräftigen Luststoß ins Trom­petikon einen guten Ton zu erzeugen, bin ich wohl an die Remanenz der Welt gekommen, aus der es sich herausgeschält hat, in der vielleicht die Hüh­nergötter selbst graue Schlipse tragen oder grüne Au­gen haben oder, was noch schlimmer ist, im Sonnenuntergang entstehen wie der Phönix aus der Fla­sche. Schon bei der kleinsten Berührung machte es Peng und alles war zurück auf Start. So trottete ich an den löchrigen Gestaden des Was-auch-immer entlang nach Hause. Mozart wartete auf mich.

01/2019

Es war einmal in Amerika

Endlich war es Wochenende! Aber bevor es ans Trinken gehen konnte, hatte ich dem alten Hibbings versprochen, seinen Alpakastall auszumisten. Mit ein paar beherzten Spatenstichen lenkte ich den Orinoko um, was in der Folge leider drei Wasserkraftwerke trockenfallen ließ und die (bis dahin) malerische Kleinstadt Charleston unter einer Schlammlawine begrub. Das rief die Nationalgarde auf den Plan und außerdem hatte ich sofort eine für milliardenschwere Entschädigungsklagen berüchtigte New Yorker Kanzlei am Hals. Um die Anwälte kümmert ich in der Regel meine Rechtsabteilung Smith und Wesson, aber mit den Gardisten war nicht zu spaßen. Also packte ich meine Partisanenausrüstung und verkroch mich zum Zelten in die Rockys... Gerade wollte ich die Panzerfaust auf den ersten Doppelhelikopter anlegen, der sich am Horizont zeigte, doch da sah ich General Pimp mit dem Fallschirm abspringen – allein. Er setzte sich zu mir ans Lagerfeuer und erklärte mir die Lage. Das mit Charleston und den Kraftwerken ließe sich alles regeln, der Präsident höchstpersönlich benötige meine Hilfe. Es war irgendwas mit einem Abklingbecken für alte Turnschuhe, das mit einem Hawking-Riegel und der ultimativen Primzahl gesichert war. In einem der Schuhe sei ein ungemein wichtiges Dokument versteckt und seit Hawkings Tod wäre allein ich in der Lage, das Schloss zu knacken, ohne die Gesetze der Mathematik vollends auf den Kopf zu stellen. Ich verstand nicht alles und der General plauderte noch, als wir in Washington aus dem Hubschrauber sprangen. Jedoch erwartete mich statt einer Eskorte zum Turnschuhreaktor eine Überraschungsparty, genauer gesagt die Schrotflintenhochzeit der Präsidententochter mit meinen Cousin Howie, der den ersten Termin irgendwie verschwitzt hatte. (Das hingegen hatte ich schon gewusst: Wir waren zusammen in Havanna versackt, daher hatte man bei mir auch auf eine offizielle Einladung verzichtet.) Es gab Klapperschlangengyros und Alpakaburger und dazu große Mengen kalifornischen Rosé, insofern musste ich nicht dürsten, aber da war das Wochenende auch schon wieder rum und die beiden Tanklaster Jack Daniels stehen immer noch ungeöffnet auf meiner Hofeinfahrt. Man kommt einfach zu nichts!

10 / 2020

Souvenirs, Souvenirs

Es war mal wieder verdammt spät geworden bei unserer wöchentlichen Fizzbinrunde und die Luft war zum Schneiden. Wir hatten uns auf eine entspannte Runde West-Ohio-Six-on-the-Fly geeinigt - das ist so ähnlich wie Kill-the-Goose in der Schwarzbier-Erweiterung, aber mit vier Karten in der Mitte und den Einäugigen als Advokaten. Zufälligerweise hatte ich zwei Siebenen und der Karo Bube auf dem Tisch (in dieser Variante Halbblut genannt) zählte als dritte Sieben, außer, er passte in eine Kleine Straße oder er würde von der Pik Dame neutralisiert werden. Das schien mir ziemlich unwahrscheinlich, also wettete ich ziemlich hoch, bis alle ausgestiegen waren außer dem alten Jörns. Wir hatten schon längst Haus und Hof gesetzt, das Auto und die komplette Barschaft, aber keiner wollte aufstecken, also kratzten wir die letzten Reserven zusammen. Ich legte meinen Siegelring auf den Tisch und ergänzte kichernd, er habe die Fähigkeit, den Träger vor Gott und den Menschen wohlgefällig zu machen. Als Antwort bot mein Gegenspieler die Hand seiner Tochter Florkina, aber das würde nur zum Sehen reichen, also musste er noch was drauflegen. Verlegen kramte er in seiner Ge­säßtasche und förderte schließlich mit einem frechen Grinsen einen alten Zahnstocher zu Tage. Der hat mal Kurt Schuhmacher gehört, kicherte er, der toppt deinen ollen Ring um das Doppelte. Nach unseren Hausregeln hätte ich den Einsatz ablehnen können, aber dafür hätte ich ihm eine Karte vom Tisch exklusiv überlassen müssen, was ja schon mini­male Rückschlüsse auf meine Handkarten erlaubt hätte, und wenn das jemand zu nutzen weiß, dann der bauernschlaue Jörns. Zum Glück fand ich in meiner Börse noch eine Pre­mierenkarte für ein Stück mit Maria Schrader und im Profil meiner Wanderstiefel einen Kiesel aus dem Nördlinger Ries, der höchstwahrscheinlich einmal Teil eines sehr großen Asteroiden gewesen ist. Mein Gegenüber nahm an und erhöhte mit einem recht unschar­fen Handyfoto, das eine Seite aus einem ein apokryphen Kapitel von Rousseaus Bekennt­nissen darstellen sollte; ich erwiderte mit dem Angebot, seine ungeliebte Ligusterhecke zu roden, und er, im Fall der Niederlage sich durch meine Beihilfeunterlagen zu kämpfen. Darauf konnte ich immerhin eine antike Daguerreotypie anbieten, die einen Schwarm fliegender Untertassen über Paris dokumentieren sollte. Knurrend schüttelte der Alte den Kopf und (Hausregeln!) schob mir die Kreuz Neun rüber. Die passte nicht in mein Blatt, aber ich konnte mir zumindest fast sicher sein, dass er mir das Halbblut nicht für eine Straße mopste. Aber ich musste nachlegen... Mein Sakrosanktum, die Reitbeteiligung bei der liebreizenden Mirinda F., konnte ich nicht riskieren und auch die Mikrofilme mit der Auf­schrift „Dallas 1963“ wollte ich erst nach einer ersten Sichtung auf Spiel setzen. Die Rei­hen der Supporter hinter unseren Stühlen hatten sich gelichtet. Da kam mir die rettende Idee: Kalle Nöttenmöller (Sie wissen schon: der Schlagerkönig von 98) hatte mal im Suff versprochen, mir seine nächste Platte zu widmen, und das Ganze kaum leserlich auf der Rückseite eines Tengelmann-Kassenzettels quittiert. Mit etwas Glück würde ich den Zettel noch an meiner Pinwand finden und dann umwidmen können, versicherte ich und Jörns nickte. - Aber nur zum Sehen. Und wenn du verlierst, verbringst du das nächste Osterfest auf meinem Spargelacker. - Ich akzeptierte und präsentierte siegessi­cher die beiden Siebenen. Geschockt zeigte Jörns die anderen beiden und wir riefen nach dem Codex, in dem das Stichkriterium festlegt ist. Stattdessen erschien aber Florkina Jörns und zwar mit Augenklappe als Pik Dame verkleidet, und servierte eine Runde Köstritzer für das ganze Hinterzimmer. Das lockerte die Stim­mung etwas auf, doch bevor wir einander zuprosten konnten, bahnten sich das Halbblut und Maria Schrader den Weg durch die Menge und rezitierten peinlichste Details aus Rousseaus Schlafzimmer. Lee Harvey Os­wald höchstpersönlich knallte mir den unausgefüllten Beihilfeantrag auf den Tisch und bereitete so dem seltsamen Spuk ein Ende. Das ganze Kartenhaus stürzte über uns zu­sammen. Eine tote Gans flog über die Kleine Straße Nr. 77.

07/20

  1. Letzten Sommer
  2. Road Trip mit Hatschi
  3. Nupsiland
  4. Öfter mal die Perspektive wechseln
  5. Wochenend-Idyll
  6. Ohne Titel (2)

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